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Manipulation oder Kommunikation: Macht das in der Patientenberatung wirklich einen Unterschied?
Öfter werde ich hier oder per PN auf XING gefragt, ob die in unseren Patientenberatungsleitfäden beschriebenen Gesprächsführungstechniken nicht „manipulativ“ seien.
Mich versetzt diese Frage immer wieder in Erstaunen – gehen wir es also zunächst einmal von der theoretischen, dann von der praktischen Seite an.
Wenn gilt, daß wir nicht nicht kommunizieren können (Paul Watzlawick), dann stellt sich doch bei jedem kommunikativen Akt die Frage, mit welchem Ziel dieser gestartet wird. Ausgehend von der Annahme, daß niemand kommuniziert, um warme Luft zu bewegen, komme ich schnell bei der Manipulation an.
Mit dem Betreten einer Apotheke manipuliere ich Apotheker oder PTA, mir ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden – mit der Frage an meinen Zahnarzt: „Was können wir denn jetzt mit diesem Zahn machen?“ manipuliere ich diesen, mir bestimmte Informationen und eine Empfehlung zukommen zu lassen. Mit seiner Empfehlung manipuliert dieser wiederum mich, im Sinne seiner Empfehlung zu entscheiden. Sie meinen, das sei doch Information und eben keine Manipulation?
Ich bin da nicht sicher – denn die Genannten ihrerseits informieren mich einerseits zweifelsohne, manipulieren mich andererseits aber gleichfalls, da sie mir, schon allein aus praktischen Gründen, niemals alle relevanten Informationen geben können, sondern sich stets für eine Auswahl entscheiden müssen. Selbst wenn sie mir, wie im Beispiel unten, tatsächlich alle relevanten Informationen geben, ist auch das durch die Art der Fragestellung oder der Formulierung der Antwort bereits eine Manipulation:
Standardsituation in der Apotheke: „Ich hätte gern eine Aspirin plus C“. Manipulative Antwort: „Eine 10er oder eine 20er?“ Die Frage: „Eine 20er oder eine 40er“ wäre ebenso manipulativ gewesen – die Aussage: „Das haben wir auch als ASS plus C zu einem günstigeren Preis“ ebenfalls. Genau so wie übrigens meine „Lieblingsfrage“: „Haben Sie öfter mal Beschwerden mit dem Magen?“
Ich habe es übrigens noch NIE erlebt, daß Apotheker oder PTA sämtliche dieser Frage / Aussagen benutzen, um eine Schachtel ASS zu verkaufen.
Auch ein Zahnarzt, ein Orthopäde, ein Augenarzt etc. würde in diesem Sinne seinen Patienten manipulieren, wenn er ihn über Vor- und Nachteile bestimmter Behandlungsansätze aufklärt – denn die Vor- oder Nachteile können niemals „objektive“ Vor- oder Nachteile im Sinne des Patienten sein, sondern immer nur das, was der jeweilige Arzt nach seinen Vermutungen oder Äußerungen des Patienten dafür hält. Selbst eine Empfehlung des Arztes nach bestem Wissen und Gewissen stellt eine Manipulation dar – nämlich sich für das zu entscheiden, was mein Arzt aus seiner Erfahrung heraus für das Beste hält.
Wenn nun jede Kommunikation zwangsläufig auch eine Manipulation darstellt (ungeachtet der Tatsache, ob diese dem Empfänger bewußt oder vom Sender intendiert ist), dann vereinfacht das die Diskussion doch erheblich, da die Sache dann nicht vom Standpunkt höherer ethischer Grundsätze (wer wollte die übrigens mit welcher Berechtigung für sich reklamieren), sondern unter dem Aspekt des ManipulationsERGEBNISSES zu bewerten ist.
Aus Ergebnissicht gibt es dann nur drei Arten kommunikativer Manipulation:
Ergebnisvariante 1: Beide beteiligten Personen sind zufrieden – es handelt sich um eine gelungene (gegenseitige) Manipulation.
Ergebnisvariante 2: Eine der beiden Seiten ist unzufrieden – dann handelt es sich um eine mißglückte Manipulation.
Ergebnisvariante 3: BEIDE Seite sind unzufrieden – hier handelt es sich ebenfalls um eine mißlungene Manipulation.
In diesem Sinne: JA – unsere Gesprächsführungstechniken sind manipulativ (sie können gar nichts anderes sein) – UND: Lang lebe die gelungene Manipulation - denn nur zufriedene Kunden oder Patienten kommen wieder.
Nun bin ich gespannt, wen das zu einer Antwort bewegt – oder manipuliert...?
Einen schönen Abend wünscht
Frank Frenzel
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